Das Geld fließt in Rentenkassen und in Gesundheitsangebote, in Forschungsvorhaben und die Wissenschaft, in den Bau von Straßen, Schulen und Versorgungsleitungen: Rund 761 Milliarden Euro Steuern haben die Länder 2021 verwaltet. Kaum überraschend, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Finanzämtern das nicht per Hand erledigen, mit Papier, Bleistift und Taschenrechner.

"Das geht schon seit vielen Jahren nicht mehr", sagt Patricia Tewald, die als Gruppenleiterin im Ministerium der Finanzen Nordrhein-Westfalen für die IT zuständig ist. "Unser Steuerrecht ist dafür viel zu komplex. Die Steuerverwaltung ist schon seit Ende der 1990er-Jahre nahezu volldigitalisiert. Nur in wenigen Bereichen sind überhaupt noch Akten vorhanden."

Weg mit dem Papier? Das ist also schon fast geschafft. Immer weniger Formulare stapeln sich in den Poststellen der Finanzämter: 2021 gingen mehr als 30 Millionen Einkommensteuerklärungen online ein.

Das Vorhaben KONSENS, das seit fünfzehn Jahren die Zusammenarbeit der Länder und des Bundes in der Steuerverwaltung regelt, bringt die Digitalisierung weiter voran – und soll jetzt deren "zweite Generation" einläuten. Standardisieren, vereinheitlichen und modernisieren lautet das Ziel: so, dass alle 16 Länder künftig mit der gleichen modernen Software arbeiten.

Paradebeispiel des Föderalismus

Damit das klappt, haben Bund und Länder ein Verwaltungsabkommen geschlossen. Zuständig für die strategische Leitung ist die Steuerungsgruppe IT. Dieser gehört – so wie Patricia Tewald – auch Paul-Alexander König an, Vizepräsident des Bayerischen Landesamts für Steuern. "KONSENS ist ein Paradebeispiel dafür, dass Föderalismus funktionieren kann", sagt er. Das Modell: Die fünf Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen übernehmen federführend die Programmierung der Software.

Die anderen sind zwar an der Entwicklung der Inhalte und der Finanzierung beteiligt, nicht aber am operativen Prozess. Damit übernimmt KONSENS eine Vorreiterrolle: "Elf Länder sprechen den fünf anderen ihr Vertrauen aus und sagen: Ihr macht das schon. Ein Land entwickelt dann das Produkt, alle 16 setzen es ein. Das ist extrem wirtschaftlich und gibt es sonst in keinem anderen Bereich", sagt Tewald.

Wirtschaftlichkeit, laut Prof. Mario Martini, Leiter des Programmbereichs "Digitalisierung" am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, ist das ein zentrales Versprechen der Digitalisierung in Behörden. "Im Grunde ist die Verwaltung ein Mittler zwischen Staat und Bürger. Sie soll den Gesetzesvollzug wirksam und zu vertretbaren Kosten sicherstellen", sagt er.

"Digitalisierung kann die Transaktionskosten reduzieren, so dass die Verwaltung ihre Aufgaben effizient, bürgernah und in hoher Qualität erfüllt." Ein zweiter Vorteil: Stringenz und Konsistenz. Das könne ein Computer in der Regel besser gewährleisten als der Mensch.

Klare Regeln statt Zufallsprinzip

Zentral ist dabei das Risikomanagement: Ein Programm prüft die Steuerdaten und entscheidet, ob das ausreicht oder eine Fachkraft persönlich übernimmt. Ob in Aachen oder Zwickau – nichts bleibt dem Zufall überlassen. "Mit einheitlichen, IT-gestützten Verfahren trägt KONSENS in hohem Maße zur Steuergerechtigkeit bei", stellt Paul-Alexander König fest.

"Alle setzen die gleichen Verfahren ein, die Risikoregeln werden zentral erstellt und jedes Land wendet diese an. Daneben geht es um das, was wir Fraud Management nennen – also darum, Betrugsfälle aufzudecken." Das Bemühen ist: Wer ehrlich ist, soll es einfacher haben. Und wer unehrlich ist, künftig eher erwischt werden.

Bürgerinnen und Bürger sparen vor allem Zeit, wenn digitale Nachweise direkt ans Finanzamt gehen. Übermitteln die Arbeitgebenden beim "Kontrollmitteilungsverfahren" die Lohnbescheinigungen, kann maschinell abgeglichen werden, ob das Gehalt mit der Steuererklärung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übereinstimmt.

Bei der "vorausgefüllten Steuererklärung" werden Informationen Dritter sogar vorab ins Formular übernommen – für den und die Einzelne heißt das: kein mühseliges Raussuchen, Kopieren und Einsenden mehr von Belegen wie Krankengeldnachweisen oder Riesterverträgen. "Die Steuererklärung ist dadurch viel einfacher als früher – auch wenn sie nicht ganz auf einen Bierdeckel passt", so König.

Mehr Zeit fürs Wesentliche

Beim Ausfüllen der Formulare am Bildschirm laufen im Hintergrund zudem automatische Plausibilitätsprüfungen: Schreibt jemand zum Beispiel eine Summe in ein Textfeld, folgt gleich die Fehlermeldung. Die Daten, die die Ämter bekommen, haben dadurch eine hohe Qualität – Rückfragen erübrigen sich. Am Ende bedeutet "Kollege Computer" also mehr Zeit für die kritischen Fälle. Damit hilft die erfolgreiche Digitalisierung der Steuerverwaltung dabei, deren eigentliche Aufgabe effizient zu erledigen: das Gemeinwohl in Deutschland zu finanzieren.

Oft formulieren die Anwenderinnen und Anwender in den Finanzämtern selbst die Anforderungen an ihre IT, dann übernehmen Fachgruppen. So kann die Software sie gezielt unterstützen.

Während ELSTER, die "elektronische Steuererklärung", vielen ein Begriff ist, sieht das bei BIENE, GINSTER oder eben ELFE allerdings anders aus. "ELFE ist für die Festsetzung der Steuern zuständig, das heißt, hier wird die Berechnung gemacht und die Steuerbescheide werden erzeugt", sagt Max Neuß.

Der entscheidende Vorteil von KONSENS sei, so Neuß, dass sich bundesweit nur noch wenige Personen um die Neuerungen in der IT kümmern müssen. Dadurch wird Doppelarbeit vermieden: Anstelle von ländereigenen Lösungen wird das Steuerrecht – bei ELFE unter Leitung des Auftragnehmers Bayern – nur noch einmal programmiert, von Erleichterungen profitiert die ganze Steuerverwaltung gleichzeitig.

Ein Beispiel fällt Max Neuß direkt ein: "Zur Modernisierung gehören beispielsweise die festsetzungsnahen Daten. Die Steuer-IT kann sich jetzt jährlich wiederkehrende Sachverhalte merken, die unabhängig von der aktuellen Festsetzung sind, etwa dass jemand körperbehindert ist oder ein Arbeitszimmer hat. Dann kann man die Steuer mit weniger Anmerkungen und Rückfragen veranlagen."

Erstes E-Government-Portal

Das wird nicht die letzte Aktualisierung sein, sagt Patricia Tewald. Mit ELSTER habe man das erste und erfolgreichste E-Government-Portal in Deutschland auf die Beine gestellt – die "digitale Identität" soll bald auch den Online-Austausch mit anderen Behörden erleichtern. "Wir fragen uns immer: Welche Technologien könnten unsere Fachaufgaben unterstützen? Big Data, also Massendatengeschäft, machen wir seit mehr als 20 Jahren, wir beschäftigen uns mit Künstlicher Intelligenz und mit der Blockchain. Und unser Blick ist weiter in die Zukunft gerichtet. Das zeichnet KONSENS aus."

 

Anmerkung: Patricia Tewald ist seit 2019 nicht mehr Mitglied der Steuerungsgruppe IT und Max Neuß ist nicht mehr Verfahrensmanager von ELFE.

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