Teamgeist über Ländergrenzen
Bei KONSENS arbeiten mehr als 1.200 Menschen in fünf Ländern an den unterschiedlichsten Aufgaben. Wie schaffen sie es, ihr gemeinsames Ziel vor Augen zu behalten?
"Routine? Gibt es bei mir nicht." Wenn Torsten Schießler morgens das Rechenzentrum der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf betritt, weiß er selten, was auf ihn zukommt. Der Wirtschaftsinformatiker leitet das Verfahren "Data-Warehouse-Anwendungen und Business-Intelligence-Methoden", kurz DAME.
In seinem Job wirkt er jeden Tag daran mit, ein umfassendes Auswertungs- und Informationssystem für den KONSENS-Kosmos aufzubauen: DAME erstellt Statistiken und Analysen, die Mittel- und Oberbehörden dabei helfen, strategische Entscheidungen zu treffen. "Was wäre, wenn wir die Einkommensteuer um ein Prozent senken?"
Solche Fragen lassen sich mithilfe von DAME beantworten. Und zwar ohne technisches Vorwissen oder Datenbank-Expertise. "So liefert DAME letztlich die Grundlage dafür, dass die Verwaltung keine Entscheidung aus dem Bauch heraus treffen muss, sondern sich auf fundierte Daten verlassen kann."
Teamgeist über Ländergrenzen
Der Alltag von Torsten Schießler in drei Worten: kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. "Ich tausche mich mit allen Bereichen innerhalb von DAME, aber auch mit anderen Verfahren und Gremien aus." Am Anfang, so sagt er, sei das durchaus Überzeugungsarbeit gewesen. "Wir sind kein operatives System, mit unseren Daten wird kein Steuerbescheid erstellt. Deshalb mussten wir zunächst das Bewusstsein dafür wecken, wie wichtig es ist, dass die Verfahren uns ihre Daten zur Verfügung stellen. Mittlerweile funktioniert das sehr gut."
270 Kilometer Luftlinie südlich, Oberfinanzdirektion Karlsruhe. Hier steht der Schreibtisch von Elke Martin. Sie ist eine der wichtigsten Ansprechpartnerinnen von Torsten Schießler, die beiden telefonieren jeden Donnerstag, treffen sich etwa alle sechs Wochen. Die Diplom-Finanzwirtin war bei DAME zunächst als Programmiererin tätig, heute ist sie Produktlinienverantwortliche, unter anderem für das Unterverfahren DAME INA.
Das »INA« steht für "Individuelle Auswertungen über APEX-Anwendung" – eine Software, die laut Finanzministerkonferenz (FMK) ab Mitte 2020 in den Ländern zum Einsatz kommen soll. Für Elke Martin und Torsten Schießler ist dieser Status als sogenanntes "FMK Kriterium" Chance und Ansporn zugleich. "Es zeigt, dass unser Produkt wichtig ist", sagt Martin.
Massenhaft Daten für große Ziele
Wer ihr über die Schulter schaut, erblickt sehr wahrscheinlich eine Excel-Tabelle. Denn sie plant und steuert die Umsetzung der Projekte. Meetings, Telefonate und E-Mails strukturieren ihren Alltag: "Ich verstehe mich als Vermittlerin zwischen den Verfahrensmanagern und den Entwicklern von DAME", sagt sie.
Ein Job, der Teamgeist verlangt, auch über Ländergrenzen hinweg. Denn die etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von DAME sitzen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Wöchentliche Webkonferenzen in den Unterverfahren sowie regelmäßige übergreifende Veranstaltungen wie Entwicklerkonferenzen sorgen dafür, dass sich alle kennen – und an einem Strang ziehen.
Von DAME profitieren Finanzbehörden und andere KONSENS-Verfahren. Doch die Statistiken von DAME können auch helfen, Steuerbetrug aufzudecken. "Wichtige DAME-Kunden sind zum Beispiel die Innenrevisionen der Länder, die Betrugsfälle durch Finanzbeamtinnen und -beamte aufdecken. Aber wir arbeiten auch mit dem Verfahren RMS zusammen." RMS steht für "Risikomanagementsystem" und hat das Ziel, das Risiko einer falschen Besteuerung automatisiert zu bewerten.
Einfach ausgedrückt: Früher mussten Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter alle Daten, etwa der Lohnsteuererklärung, auf Papier abhaken und mit den eingereichten Belegen vergleichen. Dieser Vergleich findet heute elektronisch statt – und dank RMS werden nur noch die Fälle, die Fragen aufwerfen, an die Bearbeiterinnen und Bearbeiter weitergegeben.
"Mehr als reine Hinweisausgabe"
Leiterin von RMS ist Beate Becker im Rechenzentrum der Finanzverwaltung in Düsseldorf. An "ihrem" Verfahren findet sie vor allem spannend, "dass es eine hohe Auswirkung auf die tägliche Arbeit im Finanzamt hat". Insgesamt acht Produktlinien wirken unter anderem in der Veranlagung, Neuaufnahme und Betriebsprüfung. Wichtige Datenquellen sind zum Beispiel elektronische Mitteilungen, E-Bilanzen, Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen.
"Risiken identifizieren" sei dabei deutlich komplizierter, als man dies vielleicht vermuten würde. So ist RMS für Becker viel mehr als "nur" Hinweisausgabe. "Unser Ziel ist es, die Sachbearbeitung zu optimieren und zu unterstützen und somit die Gefahr einer falschen Steuerfestsetzung zu minimieren". Wichtige Aspekte seien zudem Prävention, Betrugsvermeidung und Betrugserkennung.
Ein Gradmesser für den Erfolg des 45-köpfigen RMS-Teams ist deshalb, inwieweit ihre Arbeit die Menschen in den Steuerbehörden entlastet: "Unser Verfahren prüft 145 Millionen steuerliche Mitteilungen elektronisch. Bei den Bearbeiterinnen und Bearbeitern kommt dann tatsächlich nur der kleine Prozentsatz an, der prüfungsrelevant ist."
Die Impulse dafür, welche Leistungen RMS ins Portfolio aufnimmt, kommen aus der Praxis, "zum Beispiel über länderübergreifende Fachgruppen beziehungsweise vom Gesetzgeber", sagt Becker. Die Umsetzung sei dann ebenfalls Teamarbeit: "Jedes Portfolioprodukt muss mit anderen Verfahren geplant und umgesetzt wer den. Eine Leistung komplett allein abzubilden, ist kaum mehr machbar."
"Einfach vorbeigehen ist nicht möglich"
240 Kilometer Luftlinie nordöstlich, Landesamt für Steuern Niedersachsen in Hannover. Aus den Büros hier auf der vierten Etage kommt oft der Anstoß für ein neues Produkt von RMS. Denn hier sitzt Jochen Rath, Leiter des Verfahrens "Informations- und Kommunikationsaustausch mit dem Ausland" – kurz InKA.
"Wir organisieren und koordinieren den automatisierten Informationstransfer von den Ländern über das Bundeszentralamt für Steuern ins Ausland und umgekehrt", erklärt der Verfahrensmanager. Außerdem behält das sechsköpfige InKA-Team im Blick, welche Gesetzgebungsprozesse auf EU-Ebene oder weltweit angestoßen werden und informiert alle KONSENS-Gremien und -Verfahren darüber.
In der Praxis heißt das: Wenn EU- oder OECD-Arbeitsausschüsse Ideen zum internationalen Informationsaustausch entwickeln, werden Jochen Rath und sein Team hinzugezogen und erfahren von den neuen Anforderungen. "Anschließend schreiben wir ein Konzept, stimmen dieses ab und übergeben den Staffelstab zum Beispiel an Beate Becker, die dann für die Umsetzung sorgt." Becker ergänzt lachend: "Wenn Jochen anruft, bedeutet das Arbeit."
"Neue Wege mit den verschiedensten an deren Menschen zu gehen, zusammen Dinge ins Rollen bringen: Das ist das Besondere an KONSENS." Jochen Rath
Die Kommunikation auf Länder-, Bundes- und internationaler Ebene sei oft die größte Herausforderung, sagt Rath. "Mal eben vorbeigehen ist ja leider fast nie möglich. Das macht das Ganze komplexer." Gleichzeitig sei dieser ständige Austausch für ihn auch das Reizvolle an seinem Job: "Neue Wege mit den verschiedensten an deren Menschen zu gehen, zusammen Dinge ins Rollen bringen: Das ist das Besondere an KONSENS."
Fotos: Bildschön/Nicole Müller (2), Daniel George (1)