"Wir brauchen einheitliche Grundsätze für die Technik"
Dr. André Göbel ist seit November 2023 Präsident der Föderalen IT-Kooperation (FITKO). Im Gespräch blickt er auf Hürden und
Chancen der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland.
Dr. André Göbel
ist seit 2023 FITKO-Präsident. Zuvor war er Head of Public Sector für das IT-Unternehmen Kyndryl Deutschland, Gründungsgeschäftsführer der DigitalAgentur Brandenburg und Head of Public Sector bei der Unternehmensberatung Capgemini Deutschland. Ferner war er an der Hochschule Harz Laborleiter, Studiengangsleiter und Professor für Verwaltungsmanagement.
»Die Verwaltung wird Technologie noch einmal neu kennenlernen.«
Herr Dr. Göbel, wie steht es um die Verwaltungsmodernisierung in Deutschland?
Bei der Verwaltungsmodernisierung geht es um die Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und auch um die Akzeptanz unseres Staates. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger kann gestärkt werden, wenn der Staat die Vorteile der Digitalisierung nutzt, um Reaktionsfähigkeit zu vermitteln. Unser Staat ist handlungsfähig, und es laufen viele Projekte, die auf die Handlungsfähigkeit der Zukunft einzahlen. Aber wir müssen die Geschwindigkeit definitiv erhöhen, damit eine Verwaltungsmodernisierung gelingt, die unsere Demokratie stärkt. Überdies ist die Verwaltungsmodernisierung ein wichtiger Beitrag, um die Verwaltung als Standortfaktor für Unternehmen zu stärken.
Welche Stellschrauben bewegen Sie?
Wir als FITKO entwickeln Handlungsmöglichkeiten zur Erreichung politischer Ziele. Diese politischen Ziele leiten sich daraus ab, was die Politik aus dem Alltag von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen wahrnimmt. Deshalb finde ich Nutzungsforschung so wichtig. Bürgerinnen und Bürger zur Zufriedenheit mit den Produkten des IT-Planungsrats zu befragen, ist eine einfache Stellschraube. Konkret machen wir das schon mit der Behördennummer 115. Als Verwaltungsinformatiker betrachte ich außerdem die technische Dimension: Moderne, gut erprobte und dokumentierte IT-Architekturen sind mir wichtig – darin stecken die Effizienzgewinne für die Zukunft. Jetzt braucht es Akzeptanz, konkrete IT-Architekturvorgaben gemeinsam zu entwickeln. Wir brauchen einheitliche Grundsätze für die Technik. Wir arbeiten daran, dass sie auch im IT-Planungsrat intensiver unterstützt werden.
Wie gehen Sie mit föderalen Hindernissen für die Verwaltungsdigitalisierung um?
Dass es föderale Hürden gibt, ist aus meiner Sicht die falsche Denkweise. Die Länder bilden den Bund. Aus dieser verfassungsrechtlichen Perspektive sind die Kommunen Teil der Länder. Für diese föderale Sicht ist der IT-Planungsrat gegründet worden. Deshalb gibt es die FITKO als föderal übergreifende Einheit, die durch den IT-Planungsrat mandatiert ist, Projekte, Produkte, IT-Standards und IT-Architekturen mit allen Verwaltungsebenen im Dialog voranzutreiben.
Wie stehen Sie zum Einer-für- alle-Ansatz (EfA)?
EfA, wie bislang interpretiert, organisiert ein Software-Verfahren mandantenfähig für alle nachnutzungswilligen Verwaltungsebenen. Doch wo benötigen wir tatsächlich solch ein monopoles System? Ich blicke auf die Kommunalebene: Dort garantiert Artikel 28 des Grundgesetzes die Freiheit, Aufgaben in der Kommunalverantwortung mit Hilfsmitteln durchzuführen, die den lokalen Gegebenheiten am besten Rechnung tragen. Da passt eine zentral entwickelte Software oft erst mal nicht. Deshalb denken wir inzwischen stärker in IT-Standards und IT-Architekturen. Dies ermöglicht, die Fachlichkeit in den jeweiligen Fachressorts zu belassen, anstatt eine Software übernehmen zu müssen, die lokal nötige Funktionalitäten nicht ausreichend berücksichtigt. Der modernisierte EfA-Ansatz für die Zukunft sollte daher lauten: gemeinsam abgestimmte Strategien, einheitliche IT-Architekturen und IT-Schnittstellen für alle – und dann können sich öffentliche und private IT-Dienstleister unabhängig engagieren.
Sie kennen den Status quo der digitalen Transformation in vielen Bereichen. Wie blicken Sie auf die Steuerverwaltung?
Durch das Vorhaben KONSENS sind in einem überschaubaren Zeitraum beeindruckende Fortschritte erzielt worden, mit einer Homogenisierung, wie ich sie mir auch in anderen Fällen wünsche. Gleichzeitig hinterfrage ich: Passt die Erfahrung mit KONSENS zu unseren Herausforderungen als Staat insgesamt? ELSTER zeigt, wie die immense Komplexität des Steuerrechts in ein digitales Format überführt werden kann. Aber dieser Weg ist nicht auf alle komplexen Verfahren übertragbar: Angesichts des Fachkräftemangels brauchen wir eine Minimierung der Arbeitskraftbelastung. Low-Code/ No-Code-Verfahren, Rapid-Process-Automationen und generative KI bieten interessante Möglichkeiten, die Fachlichkeit in zuständigen Behörden schneller zu automatisieren.
Blicken wir zehn Jahre in die Zukunft: Wie könnte Verwaltung dann aussehen?
In zehn Jahren, davon bin ich fest überzeugt, werden wir bei der Verwaltungsmodernisierung ein anderes Miteinander haben. Das föderale IT-Architekturboard und das föderale IT-Standardisierungsboard des IT-Planungsrats werden dazu beitragen können, Verlässlichkeit in Absprachen zu verbessern. Weil die Akteure in den Bundesländern transparenter sehen, auf welche gemeinsamen Ziele sie einzahlen. Zudem wird die Verwaltung Technologie – durch die neuen Möglichkeiten wie jetzt im Bereich der künstlichen Intelligenz – noch einmal neu kennenlernen. Ein wichtiger Faktor wird sein, wie wir diesen Weg gemeinschaftlich mit Datenschutz, IT-Sicherheit und Barrierefreiheit erfolgreich gestalten.